Am Schreibtisch • Thomas Mann und seine Welt by Inge Jens

Am Schreibtisch • Thomas Mann und seine Welt by Inge Jens

Autor:Inge Jens [Jens, Inge]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644034716
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-01-28T16:00:00+00:00


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San Remo Drive. «Das schönste Arbeitszimmer meines Lebens»

Am 5. Februar 1942 ist dieser neue «Lebensrahmen», das «eigene Haus» mit dem gesonderten Lebens- und Arbeitsbereich für den pater familias, dann endlich bezugsfertig. Sekretär Conny Kellen hat die gelungene Synthese aus dem für die Arbeit so unerlässlichen Vertrauten, «Althergebrachten» und dem der neuen Umgebung geschuldeten Lebensstil in seinen Erinnerungen beschrieben: «Die elegante, zweistöckige Villa […] mit Palmen und Zitronenbäumen im Garten erinnerte an die französische Riviera. Sie lag an einer besonders schönen Nebenstraße des Sunset Boulevard und unterschied sich von anderen Villen durch den kleinen Seitentrakt, der das private Refugium Thomas Manns bildete, mit eigenem Eingang und gesonderter Treppe vom Arbeits- zum Schlafzimmer im zweiten Stock. Dieser Hausteil bestand aus einem mittelgroßen quadratischen Arbeitszimmer mit Bibliothek zu ebener Erde und freiem Blick über Avocadohaine, vereinzelte Villen und ferne Abhänge, hinter denen sich der Stille Ozean auftat. […] Das Schlafzimmer lag unmittelbar über diesem Raum, so dass [der Hausherr] von einem Zimmer zum anderen gehen konnte, ohne mit Besuchern […] zusammenzutreffen, wenn er dazu keine Lust hatte.» Das behaglich eingerichtete ‹Dichterverlies›, in dem nun endlich auch der alte Münchener Schreibtisch wieder einen ihm angemessenen Platz finden sollte, «war mit dem Hauptteil des Hauses durch einen schmalen Korridor verbunden, der unmittelbar in das große Wohnzimmer führte».

Dem Umzug waren viele strategische Überlegungen vorausgegangen, galt es doch, die Anlieferung der beim Spediteur lagernden Möbel aus Princeton mit den Neuanschaffungen und den wenn auch geringen Beständen vom Amalfi Drive zu koordinieren. Zudem erwies sich beim Ausladen der aus Princeton eintreffenden Möbel, dass manches repariert, neu überzogen oder, wie der Schreibtisch, aufpoliert werden musste.

Beim Hausherrn überwiegt die Freude über Gelungenes den Ärger über noch Unvollkommenes. Thomas Mann akzeptiert mühelos, zur Arbeit wieder einmal in sein Schlafzimmer verwiesen zu sein: «Arbeits-Einrichtung an dem provisorischen Schreibtisch. […] Schrieb etwas weiter. Arbeiter im Haus und im Garten.» Das Einpflanzen eines 25-jährigen Ölbaums gerät zur aufzeichnenswerten Zeremonie, das Anbringen neuer Bretter in der Bibliothek ist immerhin erwähnenswert. Es geht voran: Katia, Golo und eine hilfreiche Freundin machen sich ans «Auspacken und Aufstellen der Bücher». Am Tag danach wird ein «neues geblümtes Sofa» für das «Studio» angeliefert.

Nach Thomas Manns schwerer Lungenoperation, vier Jahre später, wird es bei vielen Arbeiten die Funktion des Schreibtischs übernehmen. Einstweilen dient es der Mittagsruhe und den Lesestunden.

Obwohl die Einrichtung des Arbeitszimmers Vorrang hat, vergehen Wochen, bis alles wieder geordnet und «angeeignet» ist. Die chinesische Schale vom Schreibtisch scheint spurlos verschwunden zu sein, und auch die «Brockate und der orientalische Teppich» sind unauffindbar. Zudem streikt die Heizung, und die Bibliothek erweist sich als zu groß: Die Anzahl der vorhandenen Bücher «füllt den Raum nicht». – Wen wundert es, dass derlei Ungemach die Stimmung gelegentlich niederdrückt? Unordnung im Arbeitsbereich war für Thomas Mann – sieht man von den Schwabinger Jugendjahren ab – stets eine psychische Belastung und der Versuch, sie zu beheben, leicht mit trüben Gedanken verbunden.

So auch jetzt beim Auswaschen der Princetoner «Federn»: «Wundere mich vor Niedergeschlagenheit, daß ich bedeutende Werke hervorbrachte.» Selbst die Lektüre alter Tagebücher, die in den Schreibtisch einzuordnen sind, stimmt elegisch.



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